Erinnern bedeutet Verantwortung: Das Stiftsgymnasium übernimmt die Patenschaft für zwei Stolpersteine

13. Juni 2025

Am Donnerstag, den 22. Mai 2025, wurde in Sindelfingen ein wichtiges Zeichen für die Erinnerung und gegen das Vergessen gesetzt. Im Rahmen der Stolpersteinverlegung durch den Künstler Gunter Demnig gedachte die Stadt neben der jüdischen Familie Ullmann, an Karl Keinath und Wilhelm Brendle. Die zwei Männer, die dem nationalsozialistischen Regime als Kommunisten kritisch gegenüberstanden, hatten dafür ihr Leben verloren.

Zahlreiche Bürger*innen hatten sich an den drei Orten der Verlegung versammelt, so auch Oberbürgermeister Dr. Bernd Vöhringer und weitere Vertreter der Stadtverwaltung. Besonders berührend war die Anwesenheit von Jennifer Ullmann-Jones, die mit ihrem Mann extra aus England angereist war.

Unser Geschichtskurs Klasse 11 gestaltete die Beiträge zur Verlegung auf vielfältige Weise. So erläuterte unsere Geschichtslehrerin Frau Berenbold, warum unsere Schule die beiden Patenschaften übernimmt und welche Aufgaben damit verbunden sind.
In der Bahnhofsstraße 31 – in unmittelbarer Nähe zum Stifts – haben wir Blumen niedergelegt. Dort wohnte Karl Keinath, der wegen seiner kommunistischen Überzeugung verfolgt und 1942 im Konzentrationslager Flossenbürg ermordet wurde. Zudem hat eine Schülergruppe eine kurze Szene aufgeführt, in der er Flugblätter verteilt – unbeachtet von den Menschen um ihn herum – bevor er von einem SS-Offizier abgeführt wird. Die Gleichgültigkeit der Umgebung kam dabei deutlich zum Ausdruck.


Zudem entstand dieser literarische Beitrag, der das Schicksal in eindrucksvollen Versen nachempfindet:

Im Geheimen arbeiten für die eigene Überzeugung, für uns unvorstellbar.
Treffen vorbereiten im Geheimen, für uns unvorstellbar.
Getrennt werden vom eigenen Hab und Gut, für uns unvorstellbar.
Getrennt werden von der eigenen Familie, für uns unvorstellbar.
Ein Leben führen wie Karl Keinath, für uns unvorstellbar.
Dieses Leid musste eine Familie ganz alleine erleben.
Sein Ertragen, unbelohnt in den dunkelsten Stunden, soll nicht vergessen, sondern geehrt werden.

Verhaftet, geschlagen, gequält und verbannt,
Hat man sowas gerecht genannt?
Das Stehen für die Werte
Oh, wie man dich dagegen zerrte.
Egal ob Treffen oder Flugblatt
Oh, auch damit man dich nicht gehört hat.
Nun stehen wir hier und denken daran
An einen wie dich, einen verehrungswürdigen Mann.

Für Wilhelm Brendle, der wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ verhaftet worden war, hat unser Kurs ein Standbild erarbeitet.  Es zeigte den Moment seiner Verhaftung durch einen SS-Mann, während die anderen umstehenden Figuren wegsahen oder tuschelten – ein Ausdruck der Isolation, die politische Gegner in der NS-Zeit erleben mussten.  Im Anschluss daran hat Emma Franke den von Line Stähle verfassten Poetry-Slam vorgetragen. Im Text wird Wilhelm Brendle nicht nur als politisch Verfolgter, sondern auch als Mensch mit Gedanken, Gefühlen und einem Leben dargestellt, das durch das Regime ausgelöscht wurde:

> Poetry Slam (für Wilhelm Brendle)
Ich weiß nicht, was er war, für ein Mensch,
wie er sprach, wie er ging, wie er dachte,
wie er sang, wie er stieg, wie er machte,
was ihn zum Feind machen mochte,
weil er nicht auf’s selbe pochte?
Er war Kommunist, und damit nicht Freund
Sondern „Staatsfeind“
Derer die, die Herrschaft hatten
Ich weiß nicht, wen er liebte – oder nicht – oder mochte –
Wie er liebte – oder nicht – oder empfand
Wie er schwärmte – oder nicht – oder hoffte?
Was genau er dachte, denn er war ja nicht nur Kommunist –
Sondern Mensch.
Ein Menschenkind, wie du und ich.
[…]
Sie kamen – wann kamen sie?
Die Uniformen mit den Menschen darin,
Was aßen sie zum Frühstück, was zu Mittag?
Mochten sie, was sie wirkten, was hätten sie gerne gewirkt?
[…]
Sie kamen, sie ergriffen ihn,
ich weiß nicht, wann und wo,
weiß nichts von dem Kind Gottes und dem Menschen,
der verschwand, und sowieso,
nur von dem Namen, der blieb und der bleiben soll,
denn selbst den Namen nahmen sie und stachen die Nummer –
sie hatten kein Recht dazu,
sie alle hatten kein Recht dazu, sie nahmen den Menschen und leugneten,
dass er einer war,
aber der Name blieb. Und der Mensch blieb ein Mensch.

Brendle, der in der Uhlandstraße 25 gewohnt hatte, starb 1940 im KZ Mauthausen. Bis zuletzt hoffte er auf eine Rückkehr nach Hause.

Die Veranstaltung machte deutlich, dass Erinnern nicht in der Vergangenheit bleibt – sondern uns auch heute etwas angeht.  Da es inzwischen kaum mehr Zeitzeugen gibt, stellt sich die Frage, wie in unserer Generation die Erinnerung wachgehalten werden kann.
Die Beiträge des Stiftsgymnasiums zeigen, wie lebendig und eindrücklich Gedenken sein kann.

Text: Marvin Proß (J1)

Bilder: Julia Beck (J1)

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