Die Möglichkeit, im Verlauf von zwei Wochen über ein Thema tiefes Wissen zu erlangen und sich mit Schülern aus ganz Deutschland zu vernetzen – dieses Angebot stellen die Deutschen Schülerakademien. Sie bieten Schülern mit hoher Motivation und entsprechenden Noten die Gelegenheit, zwei Wochen lang abseits des Schulunterrichts neue Perspektiven, Freunde und Wissen zu erlangen. Auch ich hatte die Möglichkeit, 2024 an einer solchen Akademie teilzunehmen und möchte meine Erfahrung in diesem Bericht teilen.
Das Netzwerk der Deutschen Schülerakademien besteht üblicherweise aus über zehn auf ganz Deutschland verteilten Akademien. Jede Akademie bietet jeweils zwischen fünf und sieben Kurse an, deren Fokus auf einem gewissen Thema liegt. So lässt sich zwischen Kursen über beispielsweise Neurologie oder Astronomie, bis hin zu solchen über Psychologie und Politik wählen. Da einige Akademien eine Spezialisierung auf ein gewisses, jährlich variierendes Themengebiet aufweisen, das dieses Jahr an der Akademie Coesfeld in Nordrhein-Westphalen das historische und gegenwärtige China war, entschied ich mich dazu, einen Kurs aus diesen Reihen zu wählen, im Speziellen über chinesische Philosophie, Denkgeschichte und Kultur.
Die Akademie, gelegen in einem alten Backsteingebäude in grüner Umgebung, war im Kern zweigeteilt. Zum Ersten wäre der Kurs hervorzuheben, der das zuvor erwählte Thema behandelte, und in einem recht kleinen Rahmen stattfand – bestehend aus 16 Teilnehmern und zwei Kursleitern. Methodisch standen das Lesen, Analysieren und anschließende Diskutieren über philosophische Texte chinesischer Geschichte im Vordergrund, um die zugrundeliegenden Ideen zu entschlüsseln, einzuordnen und zu bewerten. Obgleich die antike Philosophie dem Kurs zum Kern war, wurden auch allgemeinere Dinge thematisiert, wie grundlegende weltanschauliche Differenzen zwischen der chinesischen und europäischen Kultur, und deren Beziehung zur heutigen chinesischen Gesellschaft und Politik.
Um den in Teilen stark generalistischen Lehransatz ferner umzusetzen, fanden täglich einstündige Chinesischkurse statt, die neben Grundvokabular auch einen Eindruck über die Strukturen chinesischer Sprache und ihre Verstrickungen in andere kulturelle und gesellschaftliche Phänomene Chinas thematisierte.
Zum Abschluss galt es für den Kurs eine große Abschlussarbeit zu verfassen, die die Kernerfahrung des Kurses zusammenfasste und sich aus zahlreichen kleineren Essays der Kursteilnehmer zu gewissen im Kurs behandelten Themen konstituierte. Ich schrieb so zum Legalismus, einer staatsphilosophischen Denkrichtung, die in China im 3. Jahrhundert prävalent wurde, und ambivalenterweise sogleich die Idee des sozialen Aufstieges per individueller Leistung und einer die Macht des Herrschers begrenzenden Regierungsform, aber auch brutale Regierungsgewalt und einen allübergreifenden Staat in sich vereint.
Es stand allerdings nicht nur der Kurs im Zentrum der Akademie; so wären zum anderen die zweimal täglich angelegten „kursübergreifenden Aktivitäten“ hervorzuheben, die jeder Teilnehmende, ob Akademieleiter oder Schüler, anbieten konnte, und als Solches alles Erdenkliche umfassten; von Origami, über Rhetorikkurse, bis hin zu Capture-The-Flag oder einen Besuch im Freibad.
Ferner standen Events wie ein Gastvortrag, ein Ausflug nach Münster, und eine Live-Schaltung in eine chinesische Schule an, deren Schüler in Deutschland studieren wollten. Im Zuge der Live-Schaltung ließ sich in kleinen Gruppen mit einigen chinesischen Schülern über die jeweilige Lebenswelt austauschen; eine interessante Erfahrung, von der die Erkenntnis blieb, wie ähnlich Menschen sein können, die die halbe Welt voneinander entfernt leben; charakterlich, aber auch in konkreten Dingen ihrer Umgebung; darin, welche Spiele sie spielen, welche Ziele sie haben und welche sozialen Dynamiken in ihrer Umgebung herrschen.
Rückblickend sind auf die Akademie vielerlei Dinge hervorzuheben. Die auf sehr hohem Niveau stattfindenden und ebenso interessanten Diskussionen im Kurs, aber auch der bewusst ausgewogene Ansatz der Akademie, um die Schüler selbstständig Veranstaltungen und Verbindungen bilden zu lassen; und so ist es für mich gerade das, das bleibt. Von ambitionierten und bereits jetzt sehr erfolgreichen Menschen, ihren Zielen und Plänen zu hören; seinerseits aber auch zu einem Diskurs und Ideenaustausch beitragen zu können. Der Akademie gelang es überzeugend, eine Umgebung zu schaffen, die, gerade in dem Bewusstsein, dass nahezu alle Teilnehmer bald ihr letztes Jahr in der Schule beginnen würden, stark zukunftsorientiert war. Auch der aktive Diskurs mit den Kursleitern, die alle ebenso von ihren eigenen Erfahrungen berichten und Rat geben konnten. Von jahrelang in China tätigen Professoren zu erfolgreichen, in Yale studierten Politikberatern. Nicht nur eine horizonterweiternde Erfahrung zu durchleben, aber sich auch zu vernetzen und selbst das eigene Portfolio praktischer Fähigkeiten zu erweitern, beispielsweise wie ein guter Lebenslauf aussieht. Neben dem Kurs haben auch diese Dinge im Vordergrund zu stehen.
Gerade im Angesicht dieser besonderen Erfahrung möchte ich all denen, die mir meine Teilnahme an der Akademie ermöglichten, danken. Zuvorderst der Schule für das Empfehlungsschreiben, als auch allen Teilnehmern, Organisatoren und Leitern der Akademie, die dieses außerordentliche Angebot ermöglicht haben.
Text: Ruben Scharnagl (J2)
Bilder: Ruben Scharnagl, DSA