Rückblick SJ 2023/2024: Österreich und Age of Empires – Prämierter Autor Tonio Schachinger liest am Stifts

10. September 2024

Internat, strenger Lehrer, distanzierter Vater, erste Liebe. Skizziert man, womit Till, Protagonist des Romans „Echtzeitalter“ von Tonio Schachinger, fertig werden muss, so macht man zunächst einen tausendfach erzählten Plot aus. Recht schnell erkennt man allerdings beim Lesen, dass dieses Buch wohl nicht nur deshalb den Deutschen Buchpreis gewonnen hat, weil es diese altbekannte Rahmengeschichte originell und authentisch ausfüllt und unfassbar gut erzählt, sondern auch, weil der junge Österreicher Schachinger, der, wie er selbst sagt, kein „Genrebuch“ verfassen wollte, mit Till neben einem schüchternen mittelmäßigen Schüler auch einen – in Romanen wohl eher selten anzutreffenden – passionierten Gamer erschaffen hat, der in internationalen Turnieren des Spiels „Age of Empires 2“ vordere Plätz erreicht. Gerade diese Thematik kann den Roman, so scheinen Frau Mäusling und Frau Niehues überzeugt, interessant auch für Jugendliche machen und so den Zugang zu Literatur eröffnen.

Folgerichtig ist es deshalb, dass die beiden Deutschlehrerinnen, als sich die Gelegenheit dazu bot, Schachinger kurzerhand für eine Lesung am 12. Juli 2024 im VHS-Saal des Stiftsgymnasiums gewonnen haben, um so vielleicht den ein oder anderen Schüler der Klassenstufe 11, die von seinem Buch zuvor fast ausschließlich nichts gehört hatte, mit den vielfältigen Themenfeldern von Literatur zu überraschen. Zwei Stellen las Schachinger aus „Echtzeitalter“ vor, den Beginn sowie einen Teil eines Kapitels, in dem Till seiner Mutter und damit den zwar jungen, aber damit kaum Age-of-Empires-affineren Zuhörern mit reichlich Anglizismen zu erklären versucht, worum es in seinem Lieblingsspiel geht.

Im Vordergrund der Lesung standen aber die vielfältigen Fragen des Publikums, das sich für Schachingers Arbeitsablauf – ob er, wie Thomas Mann, feste Zeiten zum Schreiben habe oder gezielt Menschen und ihr Verhalten studiere (weder noch) – genauso interessierte wie für sein Buch, etwa die Frage, ob die in ihm vorkommenden Lehrer reale Vorbilder hätten (zu einem gewissen Grad durchaus). Schachinger erzählt, dass Kreatives Schreiben zu studieren in angelsächsischen Ländern leichter sei als im DACH-Raum, wo er bei seinem Debütroman „Nicht wie ihr“ allerdings dennoch auf die Expertise einer erfahreneren Autorin habe zurückgreifen können, und dass er sich, nachdem er erfolgreich geworden war, auch eine Zeit zurückgezogen habe, zu seiner Großmutter in Lateinamerika gereist sei, um dem Stress zu entkommen. Gefragt, ob er schon als Kind literaturbegeistert war, äußert er, dass ihn an Büchern, auch wenn er keine „Leseratte“ gewesen sei, schon früh gereizt habe, dass er eigentlich alles habe lesen dürfen, auch, wie er hervorhebt, für sein Alter Ungeeignetes, da Bücher keine FSK kennten. Ansonsten gelte für ihn, dass er sich niemals auf ein Lieblingsbuch festlegen könnte, da Literatur je nach Lebenssituation unterschiedlich auf ihren Rezipienten wirke.

Schachinger antwortet in lockerem Ton; wirklich lang holt er nur aus, als man ihn fragt, was gemeint sei, wenn er vom „natürlichen Startvorteil, den alle Deutschen in Österreich haben, nämlich, aus einem Land mit hohen Leistungsstandards in ein Land mit niedrigen Leistungsstandards zu kommen,“ (S. 148 der achten Auflage von „Echtzeitalter“) schreibt: In Österreich zähle Leistung zu wenig, Sympathie sei im Berufsleben oft wichtiger als die konkreten Fähigkeiten, die jemand mitbringt.

Diese Äußerung zeigt, auf wie unterschiedliche Weise, sei es in Bezug auf den Schreibstil eines prämierten Romans, sei es hinsichtlich des Werdegangs eines erfolgreichen Autors, sei es, wie in diesem Beispiel, nationale Spezifika betreffend, die Lesung und vor allem das Gespräch mit Schachinger den Horizont der Anwesenden erweitern konnte. Schachinger selbst hielt es übrigens auf Nachfrage für kaum vorstellbar, ein positives Buch über Schule zu schreiben. Solche Veranstaltungen, bei denen auch der Autor hinter dem Buch erlebbar wird und die Schüler am Ende um Feedback gebeten werden, können vielleicht aber dazu beitragen, dass kommende Schülergenerationen eine ähnliche Frage nur noch mit „schwer vorstellbar“ beantworten.

Großer Dank gilt daher Frau Mäusling und Frau Niehues für die Organisation der Veranstaltung sowie ihre informative Anmoderation, die auch die Motivation dahinter, Schachinger einzuladen, deutlich werden ließ, der Buchhandlung Röhm, dem Förderverein und der Kreissparkasse Böblingen für das Sponsoring und allen weiteren Beteiligten.

Auch die Böblinger Kreiszeitung berichtete.

Text: Gabriel Gomes Ribeiro (J2)

Bilder: Johanna Riepen

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