Sommerträume und Kriegsrealität – Eine Nachlese zum Theaterbesuch im Rahmen des Geschichtsunterrichts

22. Juni 2023

Text und Bilder: Sarah Walden (J2), Sahith Malepati (9d), Henrik Pohl (9d)

Im Rahmen des Geschichtsunterrichts hatten die Klassen 9, 10 und 12 die Möglichkeit, am Donnerstag, den 25.05.2023, die Theateraufführung „Die Freibadclique“ der Württembergischen Landesbühne Esslingen zu besuchen. Alle 91 Schüler waren aufgeregt, denn Frau Berenbold, die die Exkursion organisiert hatte, hielt das Theaterstück für geeignet, um uns die Endphase des Nationalsozialismus in den 40er-Jahren näherzubringen.  

„Die Freibadclique“ handelt von einer Gruppe von fünfzehnjährigen Jungen, die den Sommer 1944 hauptsächlich im Freibad verbringen. Knuffke, Bubu, Zungenkuss, Hosenmacher und der Ich-Erzähler, ein alter Mann, interessieren sich damals weder für die Nazis noch für den Krieg. Die Front scheint weit weg. Sie sind alles andere als stramme Hitlerjungen. Mit Politik haben sie wenig am Hut. Stattdessen sind sie von Lore, dem schönsten Mädchen im Freibad, fasziniert. Nach dem Stauffenberg-Attentat werden sie zur Musterung einberufen und an die Westfront geschickt, wo sie regelmäßig Tieffliegerangriffen ausgesetzt sind. Der Ich-Erzähler erlebt sein „erstes Mal“ im Kino mit einer Frau, deren Mann sein Leben an der Front gelassen hat. Bei einem Angriff stirbt Zungenkuss. Auch Hosenmacher und Knuffke überleben den Krieg nicht. Bubu und der Ich-Erzähler fliehen von der Front und kehren als Deserteure zurück. Mit der Befreiung von Hitler durch die Amerikaner entledigen sie sich ihrer Gewehre und Knuffke kehrt, wenn auch einäugig, zurück. Die Mitglieder der Clique, die überlebt haben, verbringen den Sommer 1945 wieder im Freibad, aber nichts ist mehr wie zuvor.

Die Jungs interessieren sich mehr für Feindsender, Jazz und Mädchen, als für den Krieg.

Sie träumen von Abenteuern und Freiheit und haben keine Ahnung von Widerstand gegen das Nazi-Regime. Erst nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 werden sie auf politische Themen aufmerksam. Christine Gnanns Regie zeigt die Geschichte aus der Perspektive der männlichen Jugendlichen und betont ihre Leiden an der Leidenschaft, welche von den Schülern häufiger kritisiert wurde: „Der Fokus auf sexuelle Triebe hat die emotionale Belastung der Kriegszeit überspielt.“ Das lässt sich gegebenenfalls damit erklären, dass Jahrzehnte lang die Erlebnisse aus dem Kriegsalltag verdrängt wurden: Viele hatten nicht den Mut, sich den brutalen Erinnerungen und nationalistischen Verbrechen zu stellen. Eine ganze Generation wurde durch den Krieg um ihre Jugend betrogen.

Viele Schüler waren eher auf ein Stück mit historischem Charakter eingestellt – doch nun lag der Fokus auf assoziativem Erinnern und männlichen Fantasien, die in einer Welt stattfanden, in der Frauen real niemals vorkamen und als unerreichbar galten. Der Kontakt zum anderen Geschlecht war inexistent und Sexualität ein Tabuthema.

Auch bei der anschließenden Nachbesprechung im Geschichtsunterricht wird klar, dass die Intention darin liegt, das Stück und damit die Kriegszeit aus ganz persönlicher Sicht darzustellen. Nicht nur spiegelten die Gedanken geheime Wünsche der Jugendlichen wider, sondern lokale Orte wie Schwäbisch Hall, Crailsheim, Ulm und Heilbronn wurden ebenfalls in den Fokus gerückt.

„Fasziniert hat mich die schauspielerische Leistung!“, meinte Emine. Nicht nur wurde das Stück unterstützt mit Dialekten, wie dem Berliner Dialekt – es zeichnete sich auch aus durch doppelte Rollen und kreative, anschauliche Namen wie der „Hosenmacher“. Die Bühne war so gestaltet, dass sie einmal das Freibad, dann durch Lichteffekte und eine entsprechende Geräuschkulisse den Kriegsschauplatz darstellte.

„Die Sicht aus Jugendperspektive hat für mich ganz besonderes Interesse geweckt. So blieb für mich das Stück bis ganz zum Ende hin spannend.“, meinte ein weiterer Schüler.

Das Theaterstück weist Parallelen zur Lebenswelt junger Menschen von heute auf, wie Herr Menihart betont: „Es gibt ähnliche Identitätskonflikte wie früher.“ Auch Frau Kientzle stimmt dieser Aussage zu: „Wozu trage ich bei? Was bewirke ich?“ – wie auch damals nur das große, ganze Volk zählt und das Individuum von wenig Wert ist, können all diese Fragen auch heute gestellt werden.

Die Nachbesprechung im Unterricht umfasste Themen wie die Hitler-Jugend, Propaganda, den Volkssturm, Stalingrad, die Lage der Kriegsheimkehrer in der Nachkriegszeit, einen aktuellen Bezug zur Ukraine und außerdem das Frauenbild, das als zentrales Thema vorkam.

Die gemeinsame Exkursion war zweifellos ein Erlebnis für uns alle. Es wäre bestimmt interessant, sich im Anschluss den gleichnamigen Film anzusehen. An dieser Stelle möchten wir uns herzlich bei der Württembergischen Landesbühne Esslingen für die beeindruckende Aufführung bedanken.

Außerdem auch ein großes Dankeschön an Frau Berenbold und die begleitenden Lehrkräfte Frau Brock, Frau Kientzle und Herrn Menihart.

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