„Nicht die Häuser liegen in Trümmern – sondern unsere Hoffnungen“ („Yıkılan evler değil, umutlarımız.“)

18. Juni 2023

Text: Deniz Tekin

Bilder: Deniz Tekin und Michelle Fischer

Im Anschluss an unseren Besuch in Pınarbaşı, finden wir uns, nach einer beschwerlichen Nacht im Auto, im Epizentrum des Erdbebens, in Pazarcık, wieder: in einem der wenigen noch bewohnbaren Häuser der Siedlung, inmitten einer Zeltstadt – erbaut auf einer freistehenden Privatfläche. Dicht an dicht reihen sich die Zelte direkt vor unserer Haustür aneinander. Doch bis auf die unaufhörlichen Abrissarbeiten hört man kaum etwas. Der erste Eindruck und die Erzählungen bestätigen sich: Pazarcık liegt brach.

Unser Gastgeber empfängt uns wenige Meter vor der Haustür. Zufällig können wir in ein Zelt hineinblicken: wir sehen Schulbänke und eine Handvoll Kinder. Ein Erwachsener dreht sich zu uns, für eine Weile schauen wir uns fragend an. Etwas verunsichert gehen wir dann aber zeitgleich aufeinander zu. Es handelt sich um Vakkas hoca („Lehrer*in“), einen jungen Kunstlehrer aus der Region, der uns erklärt, dass die Schulen noch zerstört sind und der Schulbetrieb deshalb im Zelt fortgeführt wird. Gemeinsam mit seiner Kollegin Züleyha hoca unterrichten sie in kleinen Konstellationen bis zu 15 Grundschülerinnen und Grundschüler von der 1. bis zur 3. Klasse. Die Schulpflicht existiert theoretisch noch, sagt er, doch die Gegebenheiten fordern auch von den Kleinsten Entbehrungen. Viele der Familien kämpfen um ihre Existenzen, hier ist kein Platz, um ihrem geregelten Alltag nachzugehen. 

Schnell wird klar, dass wir auch hier unterstützen wollen. Wir runden den Spendenbetrag auf und erkundigen uns danach, wie wir entlasten können. Die bescheidene Antwort Vakkas hocas überrascht und berührt uns zugleich: Nach einer kurzen Besprechung mit seinen Schülerinnen und Schülern erklärt er, dass zwar Schulmaterialien fehlen, sie sich aber über einen geselligen und sorglosen Nachmittag mit Kuchen und Getränken besonders freuen würden.

Neben Kuchen, Süßkram und Getränken, kommen wir mit gepackten Lebensmitteltüten zurück zum Schulzelt, wo wir mit schüchternen Blicken empfangen werden. Doch die Freude ist besonders groß, als sie erfahren, dass Schülerinnen und Schüler aus Deutschland ihnen die Sachen zukommen lassen. Sie applaudieren und bedanken sich: „Teşekkür ederiz“. Vakkas hoca nennt unser zufälliges Aufeinandertreffen „Fügung“ und freut sich über das Glück seiner Schülerinnen und Schüler. Er achtet zugleich darauf, dass auch für die Folgetage etwas übrigbleibt. Eltern eilen herbei und erfreuen sich am Anblick ihrer Kinder.

Im Zeltinneren erspähen wir lauter kleine bunte Kunstwerke an den Zeltwänden. Ein ausrangiertes kleines Whiteboard dient als Tafel. Die Bemühungen um eine sichere und kindgerechte Atmosphäre sind nicht zu übersehen, täuschen aber nicht darüber hinweg, dass es sehr heiß und stickig ist. Der Staub der Abrissarbeiten umgibt uns, denn Türen werden hier seit dem Erdbeben nicht mehr geschlossen – auch keine Zelte. Schweren Herzens aber mit vielen Grüßen an die Schulgemeinschaft des Stiftsgymnasiums verlassen wir die Zeltstadt und fahren zum Schulgebäude in unmittelbarer Nähe.

Wir finden eine zerstörte Schule vor, in der an Unterricht nicht mehr zu denken ist. Schulhefte, Bücher und persönliche Gegenstände liegen inmitten der Trümmer. Der schreckliche Anblick der Schule führt uns das Ausmaß des Erdbebens erneut vor Augen. Wir verlassen Pazarcık mit dem Wissen, dass es noch jahrelanger Anstrengungen bedarf, bis die Auswirkungen des Erdbebens beseitigt sind.

An dieser Stelle wünschen wir Züleyha hoca sowie Vakkas hoca und ihren Schülerinnen und Schülern weiterhin viel Kraft in dieser schwierigen Zeit.


Zudem bedanken wir uns beim Schulleiter Duran Yağbasan für die wertvolle Unterstützung bei der Kontaktvermittlung nach Pınarbaşı.


Ein besonderer Dank gilt der Schulgemeinschaft des Stiftsgymnasiums für ihre Solidarität und Einsatzbereitschaft!

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